Dein SPIEGEL: Leute wie Sie nennt man »Stormchaser«. Was bedeutet das?
Der US-amerikanische Fotograf Jason Weingart, 40, bietet Stormchaser-Seminare in Texas, Oklahoma und Arizona an
Weingart: Ich jage Stürme. Ich schaue im Wetterbericht nach, wo es einen Tornado oder ein schweres Gewitter geben soll. Dann fahre ich mit dem Auto dorthin, um zu fotografieren. Für meine Bilder reise ich durch das ganze Land, bis zu 80.000 Kilometer im Jahr.
Dein SPIEGEL: Wann haben Sie angefangen, Unwetter zu fotografieren?
Weingart: Mein erstes Foto ist während meines Studiums in Florida entstanden, wo es viele heftige Gewitterstürme gab. Ich bin mit meiner Kamera losgezogen und habe einen Blitz fotografiert. Das war nicht einfach, denn Blitze sind nur für einen Bruchteil einer Sekunde sichtbar. Ich hatte wenig Erfahrung und wusste nicht viel über Stürme und Fotografie. Deshalb war ich sehr stolz auf mich.
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Dein SPIEGEL: Was fasziniert Sie an den Stürmen?
Weingart: Ich mag, dass jeder anders aussieht. Außerdem verändern sie sich so schnell, dass man nie sicher sein kann, was man sehen wird. Das macht meine Arbeit sehr abwechslungsreich.
Dein SPIEGEL: Sind Sie immer allein unterwegs?
Weingart: Nein, im Gegenteil. Ich biete Fotokurse an, bei denen ich den Leuten zeige, wie man Stürme und Gewitter fotografiert. Deshalb habe ich fast immer Gäste dabei. Oft dauern unsere Touren mehrere Tage, denn es kann lange dauern, bis man den richtigen Ort zum Fotografieren gefunden hat.
Hier sieht man einen Blitz, der aus dem Aufwindstrom einer Superzelle entstanden ist
Dein SPIEGEL: Was machen Sie, wenn Sie in der Nähe eines Sturms angekommen sind?
Weingart: Wir parken einige Kilometer entfernt und lassen den Sturm auf uns zukommen. Wenn er direkt über uns ist, fahren wir wieder ein Stück zurück und suchen uns eine neue Position. Beim Fotografieren ist es am besten, auf der Südostseite des Sturms zu stehen.
Dein SPIEGEL: Warum ist das so?
Weingart: Von dort aus hat man die beste Sicht auf Tornados. In unserer Region entstehen sie auf der Südseite des Sturms, im sogenannten Hakenecho. Außerdem bleibt unsere Ausrüstung trocken, denn Niederschlag gibt es meist nur auf der Nordseite.
Superzellen gehören zu Jason Weingarts liebsten Motiven
Dein SPIEGEL: Braucht man als Stormchaser besonderes Equipment?
Weingart: Auf dem Dach meines Autos befindet sich eine Wetterstation, die Luftdruck und Windgeschwindigkeit misst. Die Daten zeigen mir, in welche Richtung wir fahren müssen. Manche Fotografinnen und Fotografen benutzen auch einen speziellen Auslöser, der auf Gewitterblitze reagiert. Im Prinzip hat ein Smartphone aber alles, was man fürs Stormchasing braucht: eine Kamera, ein Navigationssystem und eine Wetter-App.
Diesen Tornado hat Jason Steingart 2017 in McCook, Nebraska, fotografiert
Dein SPIEGEL: Wie gefährlich ist das Fotografieren?
Weingart: Das hängt davon ab, wie man mit den Risiken umgeht. Kein Bild ist es wert, sein Leben zu riskieren. Wir fahren meist in ländliche Gegenden, denn in der Stadt kommt es bei schlechtem Wetter oft zu Staus. So können wir einfach umdrehen, wenn der Sturm zu nahe kommt oder zu stark wird. Trotzdem hat es schon Situationen gegeben, die gefährlich waren – zum Beispiel im Mai 2013.
Dein SPIEGEL: Was ist damals passiert?
Weingart: Ich war mit einigen Leuten, die einen Workshop bei mir gemacht haben, dem »El Reno« sehr nah – dem wohl größten Tornado in der Geschichte der USA . Wir wollten wegfahren, aber die Straßen waren verstopft, weil viele Leute ihre Häuser verlassen mussten. Der Sturm kam immer näher, wie in einem Film. Zum Glück hat sich der Stau nach einer Weile aufgelöst, und wir konnten weiterfahren. 2019 wurde ich tatsächlich von einem Tornado getroffen. Ich war allein im Auto und habe nicht bemerkt, dass das Wetter schlechter wurde.
Dein SPIEGEL: Wie hat sich das angefühlt?
Weingart: Es war wie in einer Waschanlage, nur hundertmal stärker. Die Straßenlaternen um mich herum haben geblitzt, und ich habe gespürt, wie mein Auto fast abgehoben ist. Der Tornado ist schnell vorbeigezogen, mir ist also nichts passiert. Aber es war ein gruseliges Erlebnis.
Hier sieht man Jason bei einem Experiment: Die orangefarbene Rakete sollte abgeschossen werden und den Blitz in eine Box mit Glasscheiben lenken. Ein Fernsehteam wollte wissen, ob der Blitz die Scheiben zerstören würde.
Dein SPIEGEL: Gibt es auch einen Sturm, an den Sie sich besonders gern erinnern?
Weingart: Ja, ein Tornado aus dem Jahr 2016. Damals gab ich einen Sturm-Workshop, der leider nicht so gut lief. Wir waren mit dem Auto im Schlamm steckengeblieben und konnten nur einen einzigen, weit entfernten Tornado sehen. Die Teilnehmenden waren nicht besonders begeistert. Doch am dritten Tag hat sich direkt über uns eine Superzelle gebildet, das ist eine besondere Gewitterwolke. Aus ihr kamen mehrere Tornados heraus, die wir stundenlang beobachten konnten. Bis heute war das der spektakulärste Sturm, den ich je gesehen habe.
Dieses Interview erschien in »Dein SPIEGEL« 10/2022.
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Der US-amerikanische Fotograf Jason Weingart, 40, bietet Stormchaser-Seminare in Texas, Oklahoma und Arizona an
Hier sieht man einen Blitz, der aus dem Aufwindstrom einer Superzelle entstanden ist
Superzellen gehören zu Jason Weingarts liebsten Motiven
Diesen Tornado hat Jason Steingart 2017 in McCook, Nebraska, fotografiert
Hier sieht man Jason bei einem Experiment: Die orangefarbene Rakete sollte abgeschossen werden und den Blitz in eine Box mit Glasscheiben lenken. Ein Fernsehteam wollte wissen, ob der Blitz die Scheiben zerstören würde.
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